Im Interview: Projektleiter Sascha Mohr über XTS, das urbane Tetris der Logistik

Da ist was dran: „Wenn der Kunde weiß, wann das Paket ankommt und wo er es entgegennehmen kann, steigt die Ablieferungsquote auf wahrscheinlich 90 Prozent“, so Sascha Mohr, Projektleiter bei TUP (TUP). Ein Ziel, welches sich das Extensible-Transport-System, kurz XTS, auf die Fahne geschrieben hat. Diese Web-unterstützte Transportlösung hilft, „Letzte-Meile-Aufwände“ in Ballungszentren deutlich zu reduzieren, indem das Tagesgeschäft von beispielsweise Fahrradkurieren oder Kleintransportern in Sachen Geschwindigkeit und Flexibilität noch während der Auslieferung optimiert wird. Hinsichtlich dem Produkt XTS von TUP stand Sascha Mohr uns nun Rede und Antwort.

Was genau kann sich der Kunde unter XTS vorstellen? Wie arbeitet das Logistik-System in der Praxis?

XTS ist eine Cloud-basierte Transportlösung. Wir nennen sie intern auch gerne die Logistik aus der Steckdose. Das System unterstützt den übergeordneten Host, über dem die Online-Bestellungen generiert werden. Das sind in den meisten Fällen Online-Shops oder ähnlich aufgebaute Web-Portale. Eingehende Bestellungen werden automatisch als Abhol-Aufträge in die laufende Auslieferung eines Kurierdienstes eingespeist – natürlich in Echtzeit. In der Praxis beschreibt das XTS also den Austausch von Waren zwischen Dienstleister und Mandanten. Aus den vom Host generierten Aufträgen generiert das XTS-System wiederum Transporte, die speziellen Transportressourcen zugeordnet werden. Für das System ist es also kein Problem, verschiedene Auftragsarten, über die Kombinationsmöglichkeiten von Transportmitteln sowie Transportgut, durch eine wegoptimierte Auftragsabwicklung noch effizienter abzuwickeln.

Projektleiter Sascha Mohr - XTS Cloud TransportloesungNach erfolgtem Auftragseingang wird, auf Wunsch automatisch, ein verfügbarer Fahrradkurier ausgewählt. Dabei berücksichtigt XTS seine Transportkapazität, die aktuelle GPS-Position und gegebenenfalls eine Auftragsprioritätsliste, die beispielsweise eine zeitlich begrenzte Zustellung beschreibt. Der auf den betreffenden Ballungsraum ausgerichtete Materialflussrechner, kurz MFR, berechnet dann die optimale Transportsteuerung eines jeden Kuriers anhand von zuvor definierten Zonen, Übergabepunkte, Crosspunkten und Hubs. Der MFR aus dem Hause TUP kann dabei eine Modifizierungen der Route vornehmen, ohne dass dabei zeitliche Verzögerungen auftreten. Dem Kurier selbst steht dabei, unabhängig vom Beförderungsmittel, XTS als Webapplikation auf einem Smartphone zur Verfügung. Ihm und der Kurier-Zentrale werden die Aufträge so grafisch aufbereitet und mobil oder am Leitstand angezeigt. Die Funktionalitäten des Systems reichen von Fahrerdialog zur Auftragsbearbeitung, Leitstand mit Auftrags- und Transportübersicht sowie spezifischen Status-Änderungsmöglichkeiten. Natürlich gehören diverse Administrationsoptionen für die Optimierung des eigenen Systems zur Verfügung.

Was sind die USPs, die Alleinstellungsmerkmale? Welche Vorteile sind von XTS besonders zu nennen?

• Grundsätzlich gilt: XTS als reine Kurier-Dienstleistung ist wenig hilfreich. Das System kann erst seine USPs entfalten, wenn es an einem übergeordneten System andocken kann. Es muss mir erlauben, Aufträge automatisiert einzuspielen; im besten Falle muss der Anwender sich nicht einmal um die klassische Leitstandfunktion kümmern.

• Spätestens dann spielt XTS seine Stärken aus. Aus bekannten Restriktionen wie etwa Größe, Gewicht, Transportmittel und der Route wird automatisiert eine Art Tetris gespielt. Steht dem Kurier zum Beispiel ein Rucksack oder etwa eine große Ladefläche zur Verfügung? Wenn Rucksack, wie viel Liter fasst dieser? Wichtige Daten und Aufträge, die ein Mensch in derselben Zeit nicht fehlerlos bewältigen kann – alles über die Cloud und ohne komplexe Implementierung.

• Letzteres beschreibt bereits ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Ein übergeordnetes System braucht nicht wirklich angepasst werden. XTS wird einfach angedockt, übernimmt fortan die Steuerung und optimiert dabei die bestehenden Ressourcen. Dabei geht es nicht nur um die kürzeste oder schnellste Zeit, vielmehr muss der Kundenwunsch erfüllt werden. Wann will der Kunde seine Bestellung unter welchen Kriterien erhalten? XTS beantwortet und erfüllt genau diese Frage. Und fährt die IT doch mal nicht so, wie der Dienstleister es sich wünscht, kann er zu jeder Zeit in den Leitstand manuell eingreifen.

• Und wenn ich ein solches System einsetzen möchte, dann doch bitte smart; mit modernen Gadgets. Bring Your Own Device (BYOD) beispielsweise ist das Thema in den nächsten Jahren. Dabei ist uns sogar egal, ob der Kurier iOS oder Android nutzt. Der Anwender muss lediglich per E-Mail über die aus dem App-Store heruntergeladene App sein Smartphone.

• Aber auch Umwelt-technisch ist XTS zu empfehlen. Wir sprechen bei XTS klar von Green Mobility. Denn vorwiegend zielen wir auf Kurierdienste, die überwiegend mit dem Fahrrad im urbanen Raum unterwegs sind. Dass sie schon grün unterwegs sind zeigt die Tatsache, dass sie ohne Verbrennungsmotor unterwegs sind. Ein Rad-Kurier verbraucht niemals das CO2, was beispielsweise DHL und Co. in die Luft blasen. Zudem fahren beispielsweise DHL-Boten zum Zentrallager, fahren von dort ihre kilometerlangen Routen ab und liefern die nicht zugestellten Pakete wieder im entfernen Zentrallager ab. Mit XTS bestimmt der Kunde, wann und wohin er etwas zugestellt bekommt. Er kann sogar seine Handynummer hinterlassen, damit er kurz vor der Zustellung angerufen werden kann. Der Kurier fährt also nicht mit einem vollgepackten Auto seine Route ab und hofft auf Anwesenheit des Bestellers, sondern liefert gezielt an den Kunden. So reduziere ich zweifelsohne den Aufwand für die letzte Meile, reduziere Mehr-Zustellungen inklusive den CO2-Verbrauch und dadurch, dass der MFR die Transporte effizient abschließt, spare ich sogar noch Zeit.

Betrachtet man die oben genannten Punkte, projiziert diese in die Praxis, gibt es für alle Beteiligten keinerlei Hürden, um in das Thema Logistik einzutauchen. Auch weil XTS eine Art Ergänzung zum eigentlichen Geschäft zu sehen ist. Der Kunde kann so noch mehr Umsatz generieren, ohne viel Aufwand. Und wichtig: ohne viel Geld in die Hand nehmen zu müssen.

Wie sieht für Sie E-Commerce, sprich der Online-Handel der Zukunft aus? Was wird sich in den nächsten Jahren verändern?

Ich würde viel lieber beschreiben, wie E-Commerce sein sollte. Aus Sicht des Händlers oder der Marke hat sich der Online-Handel negativ entwickelt. Denn laut Gesetz darf der Käufer zu jeder Zeit seine Ware wieder zurücksenden. Von Kunden zurückgesendete Waren stellen eine große Herausforderung für Online-Händler dar. Wenn sich die Händler aber auch der Besteller nicht bewusst mit dem Thema Retoure befassen, kann das in naher Zukunft ein Risiko für den Geschäftserfolg bedeuten. Vier von zehn Kunden kalkulieren bereits beim Kauf die Rücksendung der Ware bewusst mit ein. Das belastet nicht nur den Händler, auch die Umwelt leidet auf Dauer darunter.

Ich bemängle dabei eher die Gesellschaft, ja sogar mich selbst. Wir dürfen uns nicht auf die Technik alleine verlassen, dass sie uns die Ware am selben Tag zustellt. Wir benötigen in Zukunft auch eine Strategie, die das Aufkommen der Bestellung gezielt reduziert. Der Nutzer muss lernen, nicht auf Masse zu bestellen. Die Marken und Versandhändler steuern dahingehend ja schon entgegen und belegen die Kunden mit „Strafen“. Sie müssen beispielsweise in Vorkasse treten. Damit steigt auch wieder die Hemmschwelle, über das Maß zu bestellen.

Zudem benötigen wir neben Same Day Delivery und Green Mobility auch eine grüne Retouren-Kutsche. Wobei der Aspekt Same Day Delivery für den Online-Handel extrem wichtig sein wird. Immerhin ermöglicht er den Zugang zu vollkommen neuen Kundengruppen und Sortimenten – Lebensmittel und Drogerieartikel seien hier genannt.

Grundsätzlich dürfte aber klar sein, dass Zusatzleistungen wie das besagte Same Day Delivery teurer werden muss. In Schweden ist es beispielsweise bereits der Fall. Kunden zahlen dort zum Teil dreimal mehr als für die einfache Lieferung. Der Gang ins nächste Ladengeschäft ist daher in den meisten Warenkategorien auch künftig die erste Wahl, gerade wenn es darum geht, das Objekt der Begierde noch am selben Tag in den Händen halten zu wollen. XTS wird dabei beiden Seiten helfen: Händler und Kunde sind am Ende die Gewinner.

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