Die Themenschwerpunkte „Industrie 4.0“, das „Internet der Dinge“ und „fahrerlose Transportsysteme“ dominierten die überwiegend informativen Vorträge und Diskussionen rund um den diesjährigen vom VDI ausgetragenen Materialfluss-Kongress in München. Speziell die technischen Neuentwicklungen im Segment „Smart Factory“ sind mittlerweile mehr als nur Forschungsobjekte – selbst steuernde Objekte und Strukturen lassen die wandelbare Fabrik endlich Realität werden. TUP war mit einer kleinen Delegation vor Ort.
Vom 26. März bis zum 27. März 2015 traf sich die europäische Elite in Sachen Intralogistik an der Technischen Universität München und diskutierte speziell über die „Logistik im Spannungsfeld zwischen Mensch und Technik“. Bei der aktuellen Entwicklung dominiert aktuell häufig die Frage nach der Rolle des Menschen. So auch auf dem diesjährigen Materialfluss-Kongress, bei dem 400 Teilnehmer gemeldet waren. „Roboter übernehmen immer häufiger die Aufgaben von Arbeitskräften – angesichts dieses Fortschritts kann die Intralogistik auch als Vorreiter auf dem Weg zur „Smart Factory“ gesehen werden“, eröffnete Prof. Willibald Günthner, Kongressleiter des Deutschen Materialfluss-Kongresses und Leiter des Lehrstuhls für Fördertechnik Materialfluss Logistik der Technischen Universität München, den ersten Kongress-Tag. Günthner stellte allerdings auch klar, dass dabei niemandem Angst und Bange werden muss, auch weil „der Mensch über klar überlegene kognitive und sensomotorische Fähigkeiten verfügt“.
Smart Factory: ohne Mensch nicht vorstellbar
Dennoch, der Mensch wird trotz überlegender Intelligenz eine neue Rolle in der Intralogistik einnehmen. Da ist sich etwa Dr. Albrecht Hoene, Projektleiter Leichtbauroboter von KUKA-Roboter, sicher. Seit Jahren forscht Hoene an der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter; fragte sich allerdings in seinem Vortrag, ob es sich dabei bereits um eine Revolution handelt: „Der Mensch war bisher aus Sicherheitsgründen von Robotern immer strikt getrennt. Sensitive und sichere Robotik wird diese Trennung überwinden und damit ein neues Kapitel in der Robotik und dem menschlichen Arbeitspotenzial aufschlagen.“ Seiner Meinung nach handelt es sich um eine Art Evolution, bei der Mensch und Roboter jeweils das tun, was sie am besten können: „Einfache, sich häufig wiederholende Aufgaben wird der Roboter, komplexere, nicht reproduzierbare Abläufe wird der Mensch durchführen“, fasste Hoene seine Auffassung der Smart Factory zusammen.
Komplexe Systeme und die digitale Transformation
Einen völlig anderen aber nicht weniger interessanten Ansatz verfolgte Rudolf Keller in seinem Vortrag. Der Geschäftsführer der SSI Schäfer Holding GmbH beleuchtete weniger die technischen Herausforderungen, vielmehr den stetig wachsenden Kostendruck, unter dem meist die Kundenwartung und somit die Kundenzufriedenheit leiden. „Unternehmen werden durch die stetig steigende Komplexität der Systeme und der projektorientierten Kundenanforderungen förmlich in die Ecke gedrängt. Viele Kollegen kritisieren bereits, dass speziell die Kundenerwartungen, deren Wünsche und deren Preisvorstellungen von der Realität weit entfernt sind.“ Seiner Meinung nach muss daher bereits bei der Vertragsverhandlung eines jeden Projektes 100 Prozent Transparenz vorherrschen – „eine grundlegende Voraussetzung für erfolgreiche und funktionierende Systemlösungen und für die angestrebte Kundenzufriedenheit“.
Weniger auf den Kunden fokussiert, lenkte Stefan Hentschel, Industry Leader Technology & Mobile Advertising Google Germany, gekonnt die digitale Transformation innerhalb der Unternehmen selbst in den Fokus. „Wir befinden uns derzeit im Zeitalter des digitalen Darwinismus, in dem lediglich sechs Prozent der Unternehmen in Deutschland ein wirkliches Industrie-4.0-Konzept im Schreibtisch liegen haben.“ Seiner Meinung nach wird sich die Industrie in eine neue Beziehung begeben müssen, um sich auch in Zukunft weltweit behaupten zu können. „Nicht B2B oder B2C werden die digitalen Strategien des jeweiligen Unternehmens beeinflussen, vielmehr wird es die Brücke zwischen Business to Person, kurz B2P, sein, die die digitale Transformation zur Chefsache machen wird.“ Gleich dem Motto: „A litte less conversation, a little more action“. Ein Beispiel hatte er dann auch parat, was die B2P-Beziehung auf den Punkt bringt.
In fünf Jahren wollen wir mehr als die Hälfte unseres Stahl-Umsatzes über „Webshops“ erzielen. Gisbert Rühl, Vorstandsvorsitzender Klöckner & Co SE – Dezember 2014
Und natürlich durfte auch dieses Jahr ein runder Kongress-Abschluss nicht fehlen. Gewohnt und dennoch mit Spannung erwartet, wurde auch im Jahr 2015 der VDI-Studienpreis Logistik vergeben. Diesen nahm Dipl.-Ing Thomas Stöhr für seine Thesis „Optimierte Packordnung modularer Boxen“ von keinem geringeren als TUP-Seniorchef Professor Dr. Frank Thomas entgegen. „Für uns ist der Materialfluss-Kongress immer eine tolle Gelegenheiten, sich mit Kollegen und Fachleuten auszutauschen. Eben weil derzeit ein Wandel in der Intralogistik-Szene spürbar ist“, so Frank Thomas. „Wenn man dann noch solch hervorragend geschriebene Abschlussarbeiten auszeichnen darf, freut man sich förmlich auf die zukünftigen Herausforderungen samt hochintelligenter Technik und Software.
Auf den Punkt gebracht: Was folgte, waren Kongress-Tage mit viel Wissenstransfer aus Wissenschaft und Praxis, über autonome Systeme und deren effiziente Automatisierung. In diesem Sinne: bis nächstes Jahr.