Lastenheft und Pflichtenheft in der Intralogistik
Das Lastenheft beinhaltet grundsätzlich die vom Auftraggeber vordefinierten und detailliert beschriebenen Projektanforderungen, die aus seiner Sicht nötig sind, um alle Anforderungen des Gesamtvorhabens erfolgreich umzusetzen. Das Pflichtenheft dagegen enthält, auf Basis der im Lastenheft vordefinierten Kundenanforderungen, die genauen Spezifikationen aller Soll-Prozesse, die eine reibungslose Projekt-Realisierung tatsächlich ermöglichen. Es wird vom Auftragnehmer in Zusammenarbeit mit dem Kunden erstellt und gilt als bindende Vertragsform.
Lastenheft
Soll in einem Unternehmen beispielsweise ein neues Warehouse-Management-System oder dessen Prozessbausteine (Wareneingang, Warenausgang, Kommissionierung, Packerei, Lagerung) eingeführt oder diese mittels Retrofit neuen Anforderungen angepasst werden, definiert der Auftraggeber zunächst in Form eines Lastenheftes die anzustrebenden Projektziele. Darunter fallen auch die Anforderungen an IT, Förderlandschaft und Lagerungstechnik (z.B. HRL, AKL).
In der Regel wird das Lastenheft in der sogenannten Lastenheftphase vom Auftraggeber selbst erstellt. Dabei analysiert das Unternehmen sämtliche projektbezogene Betriebsprozesse, Optimierungslücken und neu hinzugekommene Projekt-Anforderungen, die aus Unternehmenssicht für einen erfolgreichen Projektabschluss ausschlaggebend sind. In Abhängigkeit interner Strukturen und rechtlicher Vorgaben, kann sich die Lastenheftphase auf Monate strecken. Der Auftraggeber nimmt schließlich die Projektdokumentation (Lastenheft) intern ab und übergibt diese an den Auftragnehmer. Fortan spricht man von der sogenannten Projektkonzeption: der Pflichtenheftphase.
Pflichtenheft
Die formulierten Anforderungen des Kunden werden nach der Lastenheftphase vom Auftragnehmer in der darauffolgenden Pflichtenheftphase im Detail beschrieben. Das “Was“ und “Wofür“ des Kunden wird mit einem “Wie“ und “Womit“ des realisierenden Kompetenzteams als möglicher Lösungsweg aufgezeigt. Somit bildet das Pflichtenheft die Schnittstelle zwischen dem Kunden und dem Dienstleister und ist gleichzeitig die Grundlage der vertraglich festgesetzten Leistungen. Es gilt somit als bindende Vertragsform.
Wichtig: Alle im Lastenheft beschriebenen materialfluss-, hard- und softwaretechnischen Anforderungen sollten für den Auftragnehmer verständlich formuliert sein. Ein Grund, warum in einigen Fällen der Auftragnehmer bereits in der Phase des Lastenheftes dem Kunden beratend zur Seite steht. Im Zuge des Übergangs von der Lasten- in die Pflichtenheftphase können die Anforderungen des Auftraggebers mit der Realisierbarkeit des Auftragnehmers kollidieren. Eine reibungslose Kommunikationsschnittstelle (siehe unten Kommunikationsebene), bei der alle Verantwortlichen mit einbezogen werden, ist daher sinnvoll.
Das Pflichtenheft als Grundlage für die Projektrealisierung
Da das Pflichtenheft als handlungsgebende Vertragsform der Zustimmung, sowie einer offiziellen Abnahme des Auftraggebers bedarf, dient es als Grundlage für die software-, hardware-, und prozesstechnische Realisierung eines Projektes. Umfangreiche Projekte bedürfen dabei oftmals der Gliederung einzelner Prozesse. Diese sind je nach Größe des Projektes, in einzelne Pflichtenhefte gegliedert. So kann etwa beginnend ein Areal (beispielsweise ein Hochregallager oder ein Automatisches Kleinteillager) im Detail beschrieben sein. In den nachfolgenden Pflichtenheften folgen Prozesse wie Einlagerung, Auslagerung, Bestandsführung, Kommissionierung.
Wichtig: Jeder Prozess für sich bildet in der Folge ein eigenständiges Pflichtenheft, das alle zugehörigen Unterthemen des Prozesses abbildet.
An einem Lasten- beziehungsweise Pflichtenheft sind kunden- und lieferantenseitig während der jeweiligen Konzeptionsphase je ein Projektteam, bestehend aus Spezialisten, beteiligt. Im besten Fall arbeiten diese Teams bis Projektabschluss zusammen.
Auf der einen Seite agiert das Team des Prozesseigentümers, der als Ansprechpartner die Verantwortung für die jeweiligen Prozesse von Seiten des Kunden trägt. Er hat auch die termingerechte Umsetzung einzelner Prozessschritte hinsichtlich der Einhaltung der Projektlaufzeit zu verantworten. Auf der anderen Seite vertritt der Projektleiter zusammen mit seinem Kompetenzteam die Umsetzung der vertraglich ausgemachten Anforderungen. Für die Gewährleistung dieser Anforderungen ist die rechtzeitige Einbeziehung des Implementierungsleiters von Bedeutung, da dieser, beispielsweise bei der Softwareentwicklung, die Umsetzung seitens der intralogistischen Prozesse sicherstellt.
Wichtig: Stellt der Kunde nach Abnahme des Pflichtenheftes neue oder abweichende Anforderungen, werden diese in der Regel als Change Request (CR) formuliert und nach Priorität durch den Auftragnehmer abgearbeitet.
Pflichten- und Lastenheft auf der Kommunikationsebene
Bei der Realisierung eines Pflichtenheftes bedarf es, neben der Dokumentation der Projektziele, einer kontinuierlichen Kommunikation extern als auch intern. Hierzu empfiehlt sich während der Pflichtenheftphase ein regelmäßiger Austausch zwischen beiden Parteien, um entlang des Konzeptionsprozesses die gegenseitige Abstimmung etwa in Form von Workshops, zu gewährleisten. In den meisten Fällen arbeiten beide Seite mit derselben Dokumentationssoftware, die unter anderem personalisierte Kommentarfunktionen zulässt.
Zusammenfassend
Der Auftraggeber beschreibt im Lastenheft alle Anforderungen und wird dabei mit der Aufgabe konfrontiert, sich umfangreiche Gedanken zum Gesamtvorhaben zu machen. Das Pflichtenheft beschreibt im Detail die gesamten Spezifikationen samt Lösungswege; es gilt als bindende Vertragsform und wird vom Auftragnehmer erstellt. Dessen Abnahme erfolgt allerdings durch den Auftraggeber.
Weiterführende Informationen im Rahmen einer Systemeinführung finden Sie unter Modularisierung von Förderanlagen.
Teaserbild: Erik Scherz Anderson (Lizenz: CC BY-SA 2.0)
Quelle Grafiken: Präsentation der Masterthesis von Nadine Blattner