Die Lagerreichweite ist eine Kennzahl, die die interne Versorgungssicherheit durch eigene Bestände eines bestimmten Artikels innerhalb einer bestimmten Zeitspanne ausdrückt. Die Lagerreichweite lässt erkennen, wie lange ein Lagerbestand noch ausreicht, um bestehende Aufträge erfüllen zu können. Daraus lässt sich wiederum ableiten, wann die entsprechenden Waren oder Materialien wieder bestellt werden müssen. Aussagekraft, Relevanz und Konsequenzen sind in herstellenden Unternehmen zwar andere als in handelnden, es bleibt aber die Gemeinsamkeit sowohl zu kurze als auch zu lange Lagerreichweiten zu vermeiden.

Berechnung der Lagerreichweite

Für die Berechnung werden Daten aus internen Systemen innerhalb einer Lagerverwaltung herangezogen. Dafür wird eine bestimmte Zeitperiode in der Vergangenheit betrachtet, um den durchschnittlichen Bestand und den durchschnittlichen Bedarf pro Zeiteinheit zu ermitteln.

Formel zur Berechnung der Lagerreichweite: Die Lagerreichweite erechnet sich aus dem durchschnittlichen Lagerbestand pro Tag geteilt durch den durchschnittlichen Bedarf pro Tag.
Die Lagerreichweite wird auf unterschiedliche Formelart berechnet.

Werden pro Tag drei rote T-Shirts in der Größe M bestellt und sind 21 dieser größentechnisch identischen Exemplare auf Lager, dann beträgt die Reichweite für diesen Artikel sieben Tage. Dies bedeutet, dass Lieferengpässe neuer T-Shirts in Größe M sieben Tage lang kompensiert und die Bestellungen einer Woche voraussichtlich erfüllt werden können.

Zwei alternative Berechnungsformeln beziehen weitere konkrete Planungsdaten mit ein, legen dabei allerdings auf unterschiedliche Bezugsgrößen ihren Fokus:

Formel, die die Lagerreichweite in Tagen berechnet: Lagerreichweite in Tagen ist der Lagerbestand + offener Bestellungen geteilt durch den geplanten Verbrauch pro Tag
Die Lagerreichweite in Tagen kann mittels offener Bestellungen berechnet werden.

Werden pro Tag durchschnittlich drei rote T-Shirts bestellt und sind 21 T-Shirts auf Lager, so wird in dieser Formel noch eine Eilbestellung über sieben T-Shirts miteingerechnet. Daraus ergibt sich eine Lagerreichweite von 2,8 Tagen. Die Lagerreichweite wird also durch eine einzige Bestellung mehr als halbiert.

Bei der dritten Formel bezieht sich der ‚Aktionsradius‘ auf den reziproken Wert der Umschlagshäufigkeit‘. Heinrich Martin, Transport- und Lagerlogistik, 8. Auflage

Formel, die die Lagerreichweite beschreibt: Lagerreichweite ist Lagerbestand in € und Monaten geteilt durch den Lagerumsatz, der sich aus € pro Monat zusammensetzt.
Die Lagerreichweite kann auch hinzugezogen werden, um bei der Lagerplanung zukunftsorientiert zu entscheiden.

Hinweis der Redaktion: Die Formeln können auf andere Zeitspannen angepasst werden, damit die Lagerreichweite nicht nur in Tagen, sondern auch in Monaten oder Jahren abgebildet werden kann (siehe Formel drei). Insbesondere im Handel spielt die Auswahl der Zeitspannen eine wichtige Rolle, da viele Artikel saisonalen Schwankungen unterliegen; dies können jahreszeitliche (Sommer/Winter) sein oder anlassbedingte (Ostern/Weihnachten). Aber auch Kommunikationsbrüche innerhalb der Supply Chain (Bullwhip-Effekt) können die Reichweite beeinflussen.

Entscheidend für die Lagerauswahl und die Lagerzuweisung sind außer den Durchsatz- und Bestandsanforderungen die sich heraus ableitende Liegezeit und die Reichweite der zu lagernden Bestände. Die genaue Lagerdauer eines Push-Bestands (aktueller Bedarf) beispielsweise ist bereits zum Zielpunkt der Einlagerung bekannt. Die Lagerdauer der einzelnen Ladeeinheiten eines Pull-Bestands (auf Basis einer vorangegangenen Prognose) ist dagegen grundsätzlich nicht bekannt.

Timm Gudehus, Logistik, 3., neu bearbeitete Auflage, Seite 589

Hinweis der Redaktion: Siehe auch Push- und Pull-System.

Während in der Industrie oftmals eine Just-in-time-Produktion angestrebt und niedrige Lagerreichweiten tendenziell erwünscht sind, so sind die Kriterien im Handel andere. Gerade bei Vertriebsstrategien, wie Multi-Channel oder Cross-Channel, werden Waren im Internet auf mehreren Plattformen aber auch stationär in verschiedenen Geschäften (POS) verkauft. Dort gilt es stets darauf zu achten, alle Kanäle optimal zu versorgen und dabei zwar ausreichend aber nicht zu viel Ware auf Lager zu haben. Dies erfordert eine sehr gute informelle und logistische Vernetzung sowie ein entsprechendes Maß an Flexibilität.

Wenn die Reichweite eines Lagers zu gering ist, dann führt dies zu Engpässen und kann sich in verpassten (also nicht getätigten) Verkäufen äußern. Ist die Lagerreichweite allerdings zu hoch, dann wird unnötig Kapital gebunden. So hat man Waren mit verhältnismäßig niedriger Umschlagshäufigkeit in verhältnismäßig großen Mengen auf Lager, was wiederum zu unnötig hohen Lagerkosten führt.

Deshalb ist es immens wichtig, für jeden einzelnen Artikel die optimale Lagerreichweite für eine spezifische Zeitspanne zu bestimmen und sie immer wieder neu zu überprüfen. Diese Kennzahlen sorgen dann für die entsprechende Planungssicherheit, um die Nachbestellungen bei den Lieferanten bedarfsgerecht zu tätigen und reduziert die erwähnte Kapitalbindung.

Zusammenfassung Lagerreichweite

Die Lagerreichweite beschreibt das Zeitfenster (Vorrat), für welches der Lagerbestand bei einem durchschnittlichen beziehungsweise geplanten Verbrauch von Materialien oder Verkauf von Waren ausreicht. Eine Veränderung der Lagerreichweite ist ein Indikator für Veränderungen der eigenen Lieferbereitschaft. Eine zu niedrige Lagerreichweite führt zu Fehlmengenkosten, eine zu hohe Lagerreichweite zu unnötiger Kapitalbindung und Lagerkosten.

Bilder/Grafiken: TUP

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