Das Ende der 6 R der Logistik? – Teil 2

Die klassische Logistiksicht beschränkt sich hinsichtlich ihrer Aufgaben auf die mittlerweile berühmten 6 R – wie bereits in Das Ende der 6 R der Logistik? – Teil 1 angesprochen. Dieser Zugang zu Logistik und Supply Chain Management ist nachvollziehbar und für viele in der Praxis „vernünftig“. Es muss aber die Frage gestattet sein: Ist diese sehr enge, selbstbegrenzte Perspektive tatsächlich noch zeitgemäß? Kann sie die heute an die Logistik gestellten Anforderungen erfüllen? Ein näherer Blick erwies sich – bereits im Teil I – als durchaus fruchtbar. Warum?

Logistik, SCM und die Märkte

Eine unternehmensübergreifende Sichtweise generiert entlang der Lieferketten neue Marktchancen und neue Märkte. Diese Marktchancen ergeben sich zuallererst durch die ständige Reduktion der Leistungstiefe der Unternehmen auch im Zuge von Outsourcing. Durch das Redesign ganzer Lieferketten und Liefernetzwerke entstehen neue Beschaffungsmärkte und neue Absatzmärkte. Zahlreiche Chancen werden den Unternehmen eröffnet, die die neu gewonnenen Handlungsoptionen wahrnehmen.

In zahlreichen Fällen der Praxis wird bei bestimmten Marktkonstellationen vorschnell von Marktversagen gesprochen. Doch viele Experten sehen darin meist und immer mehr ein Versagen des Ausschöpfens des kreativen Potenzials in Unternehmen und Lieferketten. Auch wenn ungeahnte Chancen damit einhergehen, sind Unternehmen und Lieferketten nicht kreativ und mutig genug, um kalkulierte Risiken einzugehen und Unsicherheiten zu akzeptieren.

Somit müssen die Liefer- und Wertschöpfungsketten systemweit überdacht werden, manchmal neu aufgestellt um somit völlig neue Handlungsoptionen zu eröffnen.

Ein guter Logistiker kann nicht nur Logistiker sein

Neue Märkte entstehen durch Musterwechsel und nicht durch Effizienzsteigerung, deren Grenznutzen sich in die Marginalität verabschiedet. Die Veränderung ist aber zuerst in den Köpfen der Manager in Logistik und Supply Chain zu vollziehen. Logistiker müssen aus der Enge und Verstaubheit der letzten Jahrzehnte ausbrechen, um die Probleme des 21. Jahrhunderts besser zu lösen. Was bedeutet das?

Durch die Umbruchphasen im Zeitalter globaler Lieferketten sind Marktbewegungen im Gange, die rasches und unternehmerisches Handeln erfordern. Die Anreize für Manager müssen so gesetzt sein, dass sie über den Tellerrand des klassischen Logistikers hinausgehen. Logistiker und Supply Chain Manager sind somit gefordert nicht nur Logistiker im engen Sinn des Wortes zu sein. Zahlreiche Probleme mit logistischem Hintergrund sind Probleme, die typischerweise nicht mehr allein mit der klassischen Logistikbrille gelöst werden können. So stellt z.B. ein Kapazitätsproblem in der Leistungskette durchaus ein logistisches Problem dar, kann aber in zahlreichen Fällen nur durch marktadäquate Maßnahmen gelöst werden, z.B. durch Preisdiskriminierung zeitlicher oder räumlicher Natur. Manchmal müssen strategische Überlegungen überdacht werden um bestimmte Problem von Unternehmen und Lieferketten mit logistischen Symptomen jenseits der klassischen Logistik lösen zu können. Hier sind wir alle gefordert, weit über unsere eigenen selbst gesteckten Grenzen hinauszugehen.

Ein sehr bekannter Logistiker –Bretzke – hat einmal bei einem Vortrag vor einigen Jahren etwas sehr wichtiges und richtiges gesagt: Ein guter Logistiker kann nicht nur Logistiker sein!

Den ersten Teil dieses Beitrags finden Sie unter  Das Ende der 6 R der Logistik? – Teil 1.

Weitere Informationen zu den Aufgaben der Logsitik finden Sie auch in dem Beitrag Was kann die Logistik leisten?.