Die Aufgaben der Logistik und des Logistikers werden mit den berühmten 6 R einprägsam dargestellt. Die 6 R der Logistik sind die sogenannten „sechs Richtigen“:
- die richtigen Produkte
- in der richtigen Qualität
- mit der richtigen Menge
- am richtigen Ort
- zur richtigen Zeit
- mit den richtigen Kosten
Die Kernaufgabe der Logistik ist somit auf den Punkt gebracht. Die 6 R zeigen eindrucksvoll auf, dass die Aufgabe der Logistik in der Verfügbarmachung von Gütern besteht.
Aber ist das noch zeitgemäß? Spiegelt diese Sichtweise tatsächlich die Anforderungen der heutigen Märkte wider? Ist diese Perspektive überhaupt hilfreich für die Herausforderungen für Unternehmen und Lieferketten des 21. Jahrhunderts? Kann dieser Zugang für Unternehmer, Manager und Mitarbeiter eine unterstützende Leitidee in der täglichen Arbeit im harten Wettbewerbsumfeld sein?
Von den 6 R zu den 7 R – ein Quantensprung
Gelegentlich liest oder hört man von den 7 R der Logistik. Dabei wird häufig „der richtige Kunde“ als das siebente R genannt. Das empfinden einige (auch meiner Kollegen) als überflüssig: Ist nicht ohnehin der richtige Kunde mit den übrigen R gemeint? Wozu also das „blöde“ siebente R? Genau hier zeigt sich jedoch der Quantensprung von der klassischen Logistiksicht hin zu einer kundenorientierten Perspektive im Sinne des Supply Chain Managements. Der „richtige Kunde“ bedeutet, dass jedes Glied einer Leistungskette eine nachgelagerte Stelle vorfindet, den Kunden. Und jedes Glied einer internen Prozesskette ist selbst Kunde, als nachgelagerte einer vorgelagerten Stelle. Diese konsequente „interne Kundenorientierung“ ist der entscheidende Schritt hin zu einer durchgängigen
Marktorientierung. Wie kann man einen „internen Markt“ für alle Prozessbeteiligten schaffen? Ist das überhaupt in der Praxis umsetzbar? Schauen wir genauer hin.
Die Resonanzwelle
Wenn jedes Element einer Prozesskette die nachgelagerte Stelle als Kunden sieht und daher auch bisher als „marktfern“ betrachtete Stellen (z.B. Produktion, Lager) konsequent Kundenorientierung betreiben (müssen), entsteht daraus eine Resonanzwelle. Somit ist in der innerbetrieblichen Leistungskette jeder Mitarbeiter zugleich Liefernder als auch Kunde von Leistungen, zugleich (interner) Anbieter und (interner) Kunde: „Bei konsequenter Kundenorientierung pflanzen sich Signale vom Markt und von externen Kunden in einer Art Resonanzwelle bis in jeden kleinsten Winkel des Unternehmens fort“ (Jochen May). Aber wie kann so eine Resonanzwelle funktionieren, welche Umwelteinflüsse, Transmitter und Steuereinheiten sind hierfür notwendig? Gibt es dafür Vorbilder?
Von der Natur lernen – der Schwarm
Bei den Ameisen ist der externe Umwelteinfluss beispielsweise die versiegende Futterquelle. Der Transmitter ist somit der Hunger und die Steuereinheit die Arbeitsteilung im Ameisenstaat. Bei den Zugvögeln sind die externen Umwelteinflüsse möglicherweise widrige Windverhältnisse, der Transmitter somit die Ermüdung und die Steuereinheit typischerweise eine temporäre Zweckgemeinschaft in Form eines Vogelschwarms. Bezogen auf ein Unternehmen ist der entscheidende Umwelteinfluss typischerweise deutlich erhöhte Kundenwunschanforderung, der notwendige Transmitter die Resonanzwelle im Sinne einer „internen durchgängigen Kundenorientierung“ und die dafür notwendige Steuereinheit das Business Konzept (Business Model).
Somit ist nicht nur längst das Ende der 6 R der Logistik eingeläutet. Logistik ist mittlerweile weit mehr als nur mehr die Optimierung von Materialflüssen und den damit einhergehenden Informationsflüssen von der Entwicklung eines Produktes bis zur Auslieferung an den Endkunden. Logistik ist ein wesentlicher Teil eines Business Models, und im idealen Fall selbst ein Business Model.
Dazu aber mehr in „Das Ende der 6 R der Logistik? – Teil 2„.
Weitere Informationen zur Schwarmintelligenz finden Sie auch in dem Beitrag Schwarmintelligenz – Was wir Logistiker von Ameisen lernen können – Teil I.