Exoskelette in Logistik und Produktion
Exoskelette, auch Außenskelette oder Stützroboter genannt, sind am Körper getragene Stützstrukturen, die durch eine (elektro-)mechanische Unterstützung die Belastung auf den Körper reduzieren und die Gefahr von Verletzungen verringern. Exoskelette befinden sich noch in einem frühen Stadium der Entwicklung, erste Industrie-Unternehmen beginnen jetzt den Einsatz im Regelbetrieb.
Aktive und passive Exoskelette
Grundsätzlich wird unterschieden zwischen passiven und aktiven Exoskeletten.
Passive Exoskelette unterstützen den Träger ausschließlich durch mechanische Hilfsmittel, wie beispielsweise Feder- oder Seilzugsysteme, die auftretende Belastungen wie eine Art Gegengewicht abfangen und so in Energie umwandeln. Speziell beim Heben schwerer Lasten kann die Belastung für den Arbeiter um bis zu 40 Prozent reduziert werden.
Aktive Exoskelette bieten zusätzlich eine externe Kraftunterstützung durch Elektromotoren oder pneumatische Systeme, die an den Gelenken oder anderen neuralgischen Punkten des Trägers einwirken. Diese Systeme erlauben einen wesentlich höheren Unterstützungsgrad. Die zusätzliche Kraft zollt ihren Tribut allerdings durch ein deutlich höheres Eigengewicht des Anzuges aufgrund von Motoren und der Energieversorgung durch Akkus. Diese Energieversorgung ist zwingend erforderlich und der Einsatz des Anzugs im Akkubetrieb zeitlich begrenzt.
Wofür werden Exoskelette gebraucht?
In Logistik und Produktion sind die körperlichen Belastungen für das Personal oft sehr hoch, was auf Dauer die Unversehrtheit und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter stark beansprucht. Speziell ältere Arbeitnehmer werden beim Bewegen schwerer Gegenstände häufig bis an oder über ihre Belastungsgrenze beansprucht, was in Zeiten einer immer älter werdenden Gesellschaft eine große Problematik darstellt. Durch den Einsatz von Exoskeletten können körperliche Handicaps ausgeglichen sowie Haltungsschäden und körperlicher Verschleiß von vornherein vermieden werden – Belastungsspitzen entfallen.
Sind Arbeitsplätze aufgrund der physikalischen Gegebenheiten nicht ergonomisch zu optimieren, kann das Exoskelett helfen, durch Stabilisierung bestimmter Körperregionen und Reduktion des Kraftaufwandes, ein Gleichgewicht herzustellen.
Einsatz in der Industrie
In einer sehr einfachen Variante ermöglicht es eine Stützstruktur, die sich ausschließlich auf die Beine beschränkt, eine variable Sitzposition einzunehmen. Der Arbeiter kann die an der Hüfte und den Beinen fixierte Mechanik in jeder Position versteifen und erhält einen Sitz, der genau auf die entsprechende Situation ausgerichtet ist. Diese Variante, der sogenannte Chairless Chair, ist beispielsweise bei Audi am Standort Neckarsulm im Einsatz.
Der Logistik Dienstleister Geodis in Venlo in den Niederlanden setzt auf passive Exoskelette, die den Rücken unterstützen und den Lagerarbeiter so bei Hebe- und Tragetätigkeiten während der Kommissionierung unterstützt. Die Anzüge kommen derzeit bei Mitarbeitern zum Einsatz, die mehr als 4.000 Kilogramm pro Tag bewegen müssen.
Auch die Arbeiter des BMW-Werks in Spartanburg in den USA werden mechanisch unterstützt. Sie Tragen Westen, die über eine Mechanik speziell bei der Überkopfmontage den Oberkörper unterstützen.
Der Flugzeughersteller Airbus testet derzeit sowohl den Einsatz passiver wie aktiver Systeme, um die Arbeit ergonomischer zu gestalten. „Es gibt in der Flugzeugproduktion aufgrund der schwierigen Zugänglichkeiten häufig nicht sehr ergonomische Körperpositionen, welche wir versuchen, durch Unterstützungssysteme für den Mitarbeiter gesundheitlich schonender zu gestalten, wenn eben der Arbeitsplatz nicht grundsätzlich angepasst werden kann“, erklärt Entwicklungsingenieur Dr. Robert Goehlich in einem Interview mit der Zeitschrift ‚Produktion‘.
Der wirtschaftliche Faktor
Die noch recht hohen Anschaffungskosten dieser Spezialausrüstung schrecken heute noch viele Unternehmen ab, komplette Abteilungen mit Exoskeletten auszustatten. Nach einer Studie der DAK aus dem Jahre 2014 fallen allerdings 21,5 Prozent der Arbeitsausfalltage, und damit der größte Anteil aller Ausfallursachen, auf Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems zurück. Nach David Minzenmay, einem Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), ergäbe dies zirka 125 Millionen Ausfalltage im Jahr und somit einen Wertschöpfungsausfall von etwa 22,7 Milliarden Euro.
Zieht man diese Zahlen in Betracht, relativiert sich die Investition für den Arbeitgeber. So prognostiziert eine Studie von ABI Research von Ende 2015 auch ein potentielles Marktvolumen von 1,8 Milliarden Dollar für Exoskelette im Jahr 2025.
Wo geht die Reise hin?
Aktive Exoskelette werden in naher Zukunft kompakter und können über Sensoren erkennen, wann der Träger Unterstützung braucht, um dann gezielt einzuwirken. Beispielsweise über spezielle Handschuhe wird das System die Beanspruchung erfassen und über eine Gewichtsabschätzung ermitteln, wie viel externe Energie von Nöten ist. Eine derartige Lösung wird aktuell in dem Forschungsprojekt SensHand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IPA erarbeitet.
Das Fraunhofer IPA forscht zudem an einem Modulkasten, der die individuelle Zusammenstellung einzelner Exoskelett-Komponenten für verschiedene Einsatzgebiete ermöglicht. Erreicht dieses System seine Marktreife, könnten die Investitionskosten erheblich sinken und die Verbreitung unterstützender Systeme deutlich ansteigen.
Weitere Informationen zu ergonomischen Gesichtspunkten finden Sie in dem Beitrag Ergonomie im Lager.
Bildquelle Teaserbild: Ekso Bionics, Lizenz (CC BY-ND 2.0)