Wie unsere Masterandin Sina Hill den Nutzen von Künstlicher Intelligenz in der Intralogistik bewertet

KI wird in vielen Bereichen als die Allzweckwaffe betrachtet, doch darunter verbergen sich Teilgebiete mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen, die dabei häufig in einen Topf geworfen werden.

Logistik ist für den Einsatz Künstlicher Intelligenz prädestiniert

Diese Aussage findet sich in Fachzeitschriften und auch in unserem Logistikwiki im Beitrag ‚Künstliche Intelligenz (KI) und die Logistik‘ wieder. In der Verteidigung ihrer Masterarbeit wirft Sina Hill auf diese Fragestellung mit der Unterstützung von Prof. Dr. Frank Thomas einen genaueren Blick. Eine Definition für Künstliche Intelligenz aus der Aufgabenperspektive ist „die Fähigkeit eines Systems Aufgaben zu erfüllen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern“.

Die größten Anwendungsgebiete dazu, mit denen jeder von uns – der ein Smartphone besitzt- bereits Berührungspunkte hatte: Die Mustererkennung und die Prognose. Sei es über eine Routenplanung auf der Basis von Echtzeitdaten via Google Maps oder bei der neuesten Smartphonegeneration die automatische Optimierung eines Bildes.

Maschinelles Lernen und seine Teilgebiete in der Übersicht.

Maschinelles Lernen

Maschinelles Lernen bezeichnet Algorithmen, die sich Wissen aus Daten und Erfahrung im Umgang mit definierten Szenarien aneignen und sich so auf ähnliche Szenarien selbst anpassen und von den ‚erlebten‘ Ereignissen Verallgemeinerungen ableiten können. Der Vorteil ist, dass nicht jeder Sonderfall bedacht und mit einer eigenen Regel berücksichtigt werden muss.

Neuronale Netze

Das Vorbild für neuronale Netze ist das Netz aus Zellen, das sich beispielsweise im menschlichen Gehirn findet. Hier gilt „Je mehr desto besser“, was keine große Überraschung sein sollte. Dazu wurden künstliche Neuronen entwickelt, in deren Kern eine bestimmte Übertragungsfunktion hinterlegt ist und auf die Eingabewerte einwirkt, sodass am Ende nur ein Wert weiter gegeben wird. Diese Grundbausteine werden in Schichten angeordnet, die miteinander verbunden sind. Die Verbindungen übermitteln eine Gewichtung des übertragenen Wertes, daraus entsteht auch der Lernvorgang des Netzwerkes: Die Gewichtungen zwischen den Verbindungen werden dynamisch angepasst. Da in diesen Konstrukten nur die Ausgabeschicht sichtbar ist, werden die dahinterliegenden als ‚Hidden Layer‘ bezeichnet. Werden mehrere Schichten verwendet, wird der Begriff ‚Deep Learning‘ verwendet, da der Weg zum Resultat unter Umständen nicht mehr nachvollzogen werden kann.

Aufbau eines künstlichen neuronales Netzes in der KI
Je mehr Schichten ein neuronales Netz hat, desto schwerer ist das Zustandekommen des Ergebnisses zu erklären. Mit dieser Herausforderung befasst sich das Teilgebiet „Explainable Artificial Intelligence„.

Was sind die passenden Cluster in der Intralogistik

Aus der Perspektive von Sina Hill gibt es fünf große Felder: Die Analyse von Big Data, die optische Erkennung von Objekten im Lager, die Optimierung von Prozessen, die Prognose von Objektbewegungen und die Mensch-Maschine-Interaktion. Die Masterarbeit hatte das Ziel den Nutzen von maschinellem Lernen, neuronalen Netzen und ‚Deepl Learning‘ für diese Aufgabengebiete der Intralogistik zu bewerten.

Optische Erkennung

Die Aufgabengebiete hier sind Objekte und deren Zustand optisch eindeutig zu identifizieren. Gerade in großen Lagern mit heterogenen Artikeln lässt sich hier ein hohes Optimierungspotential in der Qualitätskontrolle und Identifikation der Objekte auf der Fördertechnik realisieren.

Big Data Analyse

Das Ziel der Analyse ist es vergangene Datenmengen aufzubereiten, zu strukturieren und Zusammenhänge zu identifizieren. Die Bestandteile für die Intralogistik hier sind das Stammdatenmanagement und die Lagerplatzvergabe. Der Vorteil von KI ist in diesem Fall, dass alle Methode auf große Datenmengen angewiesen sind, um ihr volles Potential zu erreichen und daher auch sehr gut mit großen Datenmengen umgehen können, an denen andere Methoden scheitern oder an Effizienz verlieren. So können Muster in Warenbewegungen und besserer Lagerplatzvergabe geleistet werden, die sonst nur durch hohen Rechercheaufwand identifiziert werden könnten.

Optimierung des Lagerplatzes durch eine KI
Die KI gibt Vorschläge zur Lageroptimierung

Prognose

Die Prognose der Marktnachfrage, des Personalsbedarfs und der möglichen Retouren auf Basis der Vergangenheitsdaten ist ein Feld, in dem große Hoffnung in die Leistungsfähigkeit von KI-Lösungen gesetzt wird. Ein weiteres Szenario hier, das jeder Nutzer einer modernen Routenplanung bereits erlebt hat, ist die Ermittlung potentiell möglicher effizienterer Weg und Spielzeiten. Dadurch steigt das Potential von Prognosen, da mehr und komplexere Werte betrachtet werden können. Vor allem in der Modebranche ist die Prognose der Retouren von hoher Relevanz, da dadurch unter Umständen wenig nachhaltige Strategien, wie die Vernichtung von Retouren, vermieden werden können.

Optimierung

Hier werden bereits algorithmische Solverlösungen verwendet, um den idealen Pfad des Artikels bei gleichmäßiger Auslastung der verfügbaren Ressourcen im Lager zu gewährleisten. Je höher die Komplexität dieser Entscheidung und je mehr Daten hier zur Verfügung stehen, desto größer ist der potentielle Nutzen von Künstlicher Intelligenz durch Prognose oder schnellere Entscheidungen, auch bei neuen Situationen.

Solche Probleme werden durch die Disziplin ‚Operations Research‘ verhandelt, die dabei Verfahren wie beispielsweise der linearen Optimierung folgt. Das Potential liegt hier darin, dass nicht alle Funktionen berechnet werden müssen, sondern über KI Prognosen erstellt werden können. Die Voraussetzung dafür ist aber Expertenwissen im Unternehmen und eine sehr gute Datenbasis. Sonst gilt das Prinzip ‚garbage in, garbage out‘.

Solver-Lösungen, wie sie bei TUP Einsatz finden, werden oft als KI bezeichnet. Um Missverständnisse zu vermeiden, ordnet TUP dieses Werkzeug klar dem Operation Research zu.

Mensch-Maschinen-Interaktion

In diesem Zusammenspiel sollen menschliche Fehler vermieden werden und das Zusammenspiel der beiden soll sicher sein. Die zentralen Punkte sind hier die Gesaltung des Kommissioniervorganges und die Bildung von möglichst effizienten Versandeinheiten. Das Problem hier: KI funktioniert am besten mit großen Datenmengen, die Kommissionierung sollte aber so einfach wie möglich gestaltet werden, um Fehlerpotential zu vermeiden und die Effizienz zu steigern. Ein möglicher Anwendungsfall ist das KI-gestützte Scannen und Erkennen der Artikel einer Sendung, so dass die Objekte nicht mehr durch den Mitarbeiter gescannt werden müssen, der sich so voll auf die Kommissionierung konzentrieren kann.

Der Überblick

In allem was die Entscheidungsfindung betrifft und sich somit in die Domäne menschlicher Entscheidungen bewegt, bietet Künstliche Intelligenz das höchste Mehrwertpotential. Es können komplexere und potentiell bessere Entscheidungen in Echtzeit sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Ebene des Lagers getroffen werden, da aus komplexen Daten neue Erkenntnisse und robustere Prognosen gewonnen werden.

Auf der Ebene der manuellen Tätigkeiten in der Intralogistik kann KI hauptsächlich Wegfindung und automatisierter Objektidentifikation anbieten. Ein Nachteil von neuronalen Netzen ist auch, dass der Weg zur Lösung unter Umständen nicht nachvollzogen werden kann, aber das Erreichen trotzdem viele Ressourcen in der Umsetzung und Implementierung verbraucht hat. Eine schwierige Situation in der sich schnell wandelnden Welt der Intralogistik, in der an der Frage ‚Wie geht das?‘ hohe Summen hängen.

Weiterführende Links: