TUP (TUP), die Software-Manufaktur aus Stutensee, ist bekannt für maßgeschneiderte Intralogistik-Lösungen. Das Unternehmen entwickelt zudem auch Android-Apps, für die es bei TUP eine eigene Abteilung gibt. Die speziell auf die Intralogistik entwickelten Anwendungen dienen insbesondere der mobilen Datenerfassung mit MDEs, modernen Handhelds sowie herkömmlichen Smartphones – allesamt gebündelt unter dem Akronym Smart Mobile Logistics (SML). Simon Schimansky arbeitet seit mittlerweile drei Jahren in der App-Entwicklung bei TUP, nachdem er das Thema während seines Informatikstudiums für sich entdeckte. Im Interview gibt er Einblicke in seine Arbeit und erörtert die Chancen von Android-Apps in der Intralogistik.
Das folgende Interview wurde technisch begleitet von Klaus Heim / Informatiker TUP – Herzlichen Dank.
Herr Schimansky, Smartphone-Apps werden in der Intralogistik eine große Zukunft vorhergesagt. Ganz neu sind die Anwendungen aber nicht. Was ist das Besondere an solchen Applikationen in der Logistikbranche?
Schimansky: Schon lange bevor der Begriff ‚App‘ aufkam nutze man in der Intralogistik Geräte zur mobilen Datenerfassung, sogenannte MDE-Geräte (mit Tastatur). Dabei handelt es sich um kleine mobile Geräte, die man unterwegs im Lager beziehungsweise Distributionszentrum bei sich trägt – etwa während des Kommissionierens von Artikeln. Der Unterschied; damals wurden die Endgeräte noch mit Windows CE beziehungsweise Windows Mobile betrieben, zudem waren damals die industriellen Endgeräte recht unhandlich. Mittlerweile wurde die schon damals bestehende Mobilität in die Android-Welt überführt und dank moderner Hardware und verknüpfter IT-Infrastruktur sprechen wir heutzutage von enormen Geschwindigkeitszuwächsen, mit denen Daten heutzutage erfasst und verarbeitet werden. Selbst bei komplexen Eingaben des Users sind wir momentan in einem Bereich von maximal hundert Millisekunden. Auch die grafische Visualisierung hat sich stark verbessert, bis hin zu 3D-Darstellungen.
Apps können also mit verschiedenen Geräten zur mobilen Datenerfassung genutzt werden? Doch Smartphones sind ja bekanntermaßen nicht besonders robust. Ist das nicht ein großer Nachteil bei der Lagerarbeit?
Schimansky: So pauschal würde ich das nicht sagen. Dass es keinen Unterschied macht, liegt eher an der Skalierbarkeit unserer SML-App. Für sie macht es keinen Unterschied, auf welcher Art von Gerät sie läuft. Die Software bildet auf einem MDE-Gerät, Handheld (ohne Tastatur, aber mit Touch-Display) oder etwa auf dem Smartphone die jeweiligen Lagerprozesse gleich ab – ohne dass der Mitarbeiter auf die nötige Performance verzichten muss. Heutzutage setzen die Kunden ohnehin, Prozess-bedingt, meist verschiedene Endgeräte parallel ein: Tablets, MDE-Geräte, Handhelds und natürlich auch Consumer Smartphones. Bis auf die Systemanforderung von Android 4.4 oder neuer, gibt es bezüglich der jeweiligen App kaum Unterschiede. Zur Info, das aktuellste Android trägt die Versionsnummer 9.0 – wir können demnach, bezogen auf Smartphones, auch ältere beziehungsweise sehr günstige Geräte unterstützen. Und gerade mit dem Betriebssystem Android funktioniert das sehr gut. Die Freiheit des Betriebssystems erlaubt es uns Anwendungen und Features über eigene Vertriebswege zügig zur Verfügung zu stellen; auch die Updates können von uns gerätespezifisch sowie zeitlich gesteuert ausgerollt werden. Apples iOS erlaubt diese Freiheiten nicht.
Da TUP eine Manufaktur ist, steht bei uns die Individualisierbarkeit im Vordergrund. Wir entwickeln Software für den Kunden, die genau zu seinen jeweiligen Bedürfnissen passt. Dafür verwenden wir einen ‚Grundbaustein‘, der recht schnell zu installieren ist. Abhängig von den vorliegenden Prozessen können wir dem Kunden schon innerhalb eines Tages eine laufende App anbieten, mit der dann direkt nach der Installation gearbeitet werden kann. Erst danach kümmern wir uns um die speziellen Anpassungen oder Brandings. Dennoch gibt es natürlich auch Dinge, die im SML-Segment zu beachten sind. So gibt es speziell bei der Hardware immer wieder Unterschiede, die Unternehmen dazu zwingen, wie bereits erwähnt, über einen Prozess-bedingten Einsatz von Endgeräten nachzudenken.
Besonders in der Intralogistik benötigt man meist einen robusten Barcode-Scanner. MDE-Geräte und industrielle Handhelds sind in der Regel mit einem eingebauten Scanner ausgestattet. Bei einem Smartphone dient entweder die Kamera als Ersatz oder ein externer Scanner, beispielsweise ein Ringscanner, wird per Bluetooth mit dem Smartphone gekoppelt. Setzt man lediglich auf die Kamera, muss der abfotografierte Code über eine Software analysiert oder manuell ausgewählt werden – da vergeht viel Zeit.
Und klar, MDE-Geräte und industrielle Handhelds sind robuster, kosten aber auch ohne externen Scanner deutlich mehr als ein Smartphone. So liegt allein ein einzelner Scanner, ohne Rechnereinheit, bei zirka 700 Euro. Handhelds kosten je nach Ausstattung bis zu 1.200 Euro. Bei einem Preis von zirka 120 Euro kann man dagegen ein Smartphone mit installierter App kostengünstiger einsetzen – wobei das Smartphone in industrieller Umgebung in der Regel mit einem sogenannten Ringscanner kombiniert und an der Hand befestigt wird. Kostenpunkt, zirka 1.000 Euro. Letztendlich entscheidet der Kunde, welches Endgerät zu seinen Prozessen passt. Positiv zu erwähnen ist zweifelsohne die Flexibilität der Applikation; der Kunde kann das Endgerät seiner Wahl einsetzen – unsere Anwendungen laufen auf allen Geräten gleichermaßen gut.
Eine weitere Herausforderung ist die Akkulaufzeit; zumindest war es damals ein Thema. Mittlerweile können moderne Endgeräte deutlich länger genutzt werden. Sie verbrauchen zudem weniger Energie und verfügen in der Regel über fast die doppelte Kapazität als noch vor drei Jahren, was im mobilen Zeitalter eine Ewigkeit beschreibt. Bedarf ein Endgerät innerhalb einer Schicht dennoch einer Aufladung, ist das für unsere Prozesse auch kein Problem – sie reißen dadurch nicht ab, sodass mit neuem Akku beziehungsweise Endgerät direkt weitergearbeitet werden kann.
Wie stark unterscheiden sich Anwendungen für Unternehmen, sogenannte ‚Business Apps‘, von Anwendungen aus dem Privatbereich, den ‚Consumer Apps‘?
Schimansky: Da muss man tatsächlich differenzieren. Unsere Unternehmens-Apps müssen beispielweise problemlos mit Handschuhen bedienbar sein, dafür wären die normalen Consumer-Icons viel zu klein. Die Standards von Android oder iOS sind für unsere Zwecke ungeeignet, wir nutzen daher unsere eigene Designsprache. Natürlich soll der Mitarbeiter gerne mit der App arbeiten, sie muss also auch ansprechend aussehen. Doch in erster Linie muss sie streng betrachtet funktional sein. Business Apps sollen helfen und entlasten. Es sind keine technischen Spielereien, die wir programmieren, nur weil wir es können. Wir fragen uns bei der Entwicklung immer: Braucht man das wirklich und welchen Nutzen hat der Kunde beziehungsweise der Anwender mit der jeweiligen Funktion?
Natürlich gibt es bei Business Apps wiederum Unterschiede. Wenn die Management-Ebene einen Überblick über das Lager wünscht, stehen die grafischen Ansprüche stärker im Vordergrund. Die Darstellung in 3D, zum Beispiel von einem Regal, nützt dagegen dem Mitarbeiter im Lager. Er bekommt direkt grafisch angezeigt, an welcher Stelle im Regal etwas einzusortieren ist. Die Daten für diese Visualisierung liefert etwa unser TUP-Raumrechner. Doch moderne Android-Geräte ermöglichen noch ganz andere Features; zum Beispiel Voice-, AR und VR-Lösungen. Diese Technologien sind heutzutage in ihrer Qualität bereits sehr ausgereift. Und dank der höheren Rechenleistung des jeweiligen Gerätes, wird das direkt auf dem Gerät realisierbar sein, ganz ohne Siri oder Hey Google – als zusätzliche Gadgets dienen in Zukunft dann auch Smart Glasses oder kompakte VR-Brillen. Das alles zusammen liegt allerdings noch in weiter Zukunft.
Können Sie uns auch ein Beispiel nennen, bei denen Apps in ihren Möglichkeiten an Grenzen stoßen?
Schimansky: Diese Frage zu beantworten ist nicht so einfach, wie sie klingt. Wenn Limitierungen entstehen, sind diese eigentlich nicht durch die App bedingt, sondern liegen vielmehr an der Hardware. Die Displays sind zwar deutlich besser und größer geworden, die Auflösung ist höher und man erkennt als Anwender wesentlich mehr Details. Doch sind etwa Tabellen nach wie vor schwierig darzustellen und gerade in der Logistikbranche sind Darstellungsformen mittels Tabellen sehr beliebt. Eine Herausforderung ist daher, Informationen statt in Tabellen in anderer Form abzubilden. Generell muss man aber aufpassen, den Nutzer nicht mit Informationen zu überfluten. Rechenkapazität und Speicherleistung setzen hier kaum Grenzen, doch mehr Informationen sind nicht automatisch hilfreicher. Hier gilt es, sich wirklich auf das Elementare zu konzentrieren. Diese Überlegungen sind im mobilen Bereich noch viel wichtiger, als auf dem PC-Dialog an einem stationären Arbeitsplatz.
Andere Herausforderungen können wir mithilfe der App selbst lösen. Beispielsweise ist das WLAN innerhalb eines Distributionszentrums neben den Metallregalen zahlreichen weiteren Störfaktoren ausgesetzt. Folglich werden entsprechend viele Access-Points über die Lagernutzfläche verteilt, das können bis zu dreißig Einheiten sein. Diese müssen mit den Datenerfassungsgeräten stetig kommunizieren und die Verbindung halten, wenn man sich durch das Lager bewegt. Dafür sorgen bestimmte Protokolle, die die Geräte veranlassen zum nächstgelegenen Access-Point zu wechseln; gerade dann, wenn die Verbindungsqualität abnimmt. Diese Protokolle werden allerdings für professionelle MDE-Geräte und Handhelds geschrieben. Consumer Smartphones reagieren in der Regel nicht, wenn die Netzwerkverbindung nur bedingt besteht und die Daten kaum noch in gewünschter Zeit übermittelt werden können. Ein Grund, warum wir unsere SML-Software so entwickelt haben, dass die App sofort reagiert, wenn die Verbindung schlechter wird. Das war nicht einfach, aber wir haben einen Weg gefunden.
Kommt es bei dem Zusammenspiel vieler verschiedener Geräte nicht zu Beeinträchtigungen? Wenn der Kunde mehrere Geräte bespielen muss, können doch leicht neue Schwachstellen entstehen.
Schimansky: Das ist ein wichtiger Punkt, auch darum kümmern wir uns in der Entwicklungsabteilung. Bei uns lädt man sich die Anwendung nicht wie in einem App Store herunter, sondern sie bleibt auf TUP-Servern. Wir erstellen auf unseren Servern ein Verzeichnis in dem die App abgelegt wird und der Kunde installiert sie aus diesem ‚https-Share‘ heraus auf das jeweilige Gerät. Einmal installiert, kann die Produktiv-App zur Arbeit genutzt werden. Gleichzeitig stellen wir eine Zweite, eine Testversion mit beispielsweise neuen Features zur Verfügung. Diese erhalten nur bestimmte Mitarbeiter, um einige Prozesse im Vorfeld testweise durchzuspielen. Besteht die Testversion, wird sie als neue Version freigegeben. Hier beginnt erneut der erwähnte Ablauf, bei dem die App sich automatisch mit unseren Servern verbindet und die Aktualisierung vollzieht, ohne dass der Kunde etwas tun muss. So können wir ausschließen, dass die App beim Kunden falsch konfiguriert ist. Kommt es mal zu Problemen, können wir das also bereits als Fehlerquelle ausschließen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil!
Ist denn Ihrer Meinung nach absehbar, ob sich in der Intralogistik ein bestimmter Gerätetyp durchsetzen wird?
Schimansky: Dazu kann ich nur sagen, dass alle neuen Projekte, an denen wir arbeiten, sich im Laufe der Projektphase Geräte-technisch modifizieren. Der Gerätetyp schwingt momentan vom herkömmlichen Smartphone hin zu den industriellen Android-Lösungen – MDE oder Handheld. Die Geräte sind einfach robuster und dennoch handlich in ihrer Bedienung. Und die Prozessgeschwindigkeit, die Robustheit und die Bedienbarkeit sind nun mal entscheidend. Dennoch ist zu erwähnen, dass wir auch Projekte mittels herkömmlichen Smartphones abwickeln. Im Fokus steht daher bei uns immer der Prozess, der letztendlich via Endgerät erledigt werden soll.
Ein Schwerpunkt wird zukünftig sicherlich HTML5 sein. Die Hypertext-Auszeichnungssprache erfordert zwar viel Rechenleistung, doch die programmierten Inhalte laufen fortan unabhängig vom Betriebssystem des Endgerätes. Das führt in Zukunft unweigerlich zu Einheitslösungen auf Desktopsystemen und mobilen Endgeräten. Das wäre schon möglich, aber komplexe Desktop-Anwendungen sind derzeit auf den mobilen Endgeräten aus Gründen der Performance nur sehr aufwendig zu realisieren. Aber die Technik schreitet immer weiter voran, das sollte man definitiv im Auge behalten.