Energieeffizienz stellt in der hochgradig kostenoptimierten Intralogistik ein Thema von hoher Bedeutung dar. Das Einsparen von Ressourcen genießt branchenübergreifend aufgrund der aktuellen Weltlage eine besondere Aufmerksamkeit. Dabei zählt es für Lagerverantwortliche zu den zentralen Herausforderungen, in der ausdifferenzierten Produktlandschaft den Überblick zu behalten.

Jeder Anbieter von Intralogistik-Hardware wirbt mit gesteigerter Energieeffizienz im Vergleich zu eigenen Vorgängermodellen oder den Lösungen der Konkurrenz. Lager- und Kommissioniervorgänge gelten als die zeit- und energieintensivsten Prozesse in einem Warehouse. Die Parameter, die Entscheider bei der Ausgestaltung, dem Ankauf und der Wartung von Hardware, vor allem aber der Ausgestaltung der innerbetrieblichen Abläufe berücksichtigen müssen, sind vielseitig und oft komplex. Dazu zählen:

  • Energie- und Rohstoffpreise
  • Bestehende Reglementierungen
  • Lebenszyklus technischer Komponenten
  • Zeit- vs. Energieeffizienz
  • Optimierungen des Materialflusses
  • Angepasste Lagerstrategien

Ohne Mathematik und Messgerät geht es kaum mehr

Der wichtigste Faktor für die Evaluation und Neukonzeption von energieeffizienteren Prozessen ist eine stabile Datenbasis. Hierbei liefern Berechnungsmethoden oder Simulationen einen Mehrwert. Doch in der Praxis zeigt sich, dass die Modelle häufig auf Annahmen basieren, die mit den realen Bedingungen kollidieren. So hat beispielsweise baugleiche Fördertechnik nicht zwingend einen identischen Energiebedarf. Sich einen aktuellen Überblick mit eigenen Messdaten zu verschaffen, ist daher eigentlich unerlässlich. Sobald ein datengestütztes Bild des Energiebedarfs besteht, können die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf ihre konkrete Umsetzungsform angepasst werden.

Graph showing energy usage of high bay warehousing systems
Regelbediengeräte bieten ein hohes Potential zur energieeffizienten Nutzung.

Generell gilt: In jedem Fall sollte bei jeder Art von Schätzung oder Simulation bedacht werden, ob die zugrundeliegenden Annahmen möglicherweise nicht bereits von den neuesten Entwicklungen in Technik und Wissenschaft überholt wurden. Vereinfachungen können so schnell in die Irre führen, wenn beispielsweise für Bewegungen im Raum, die eigentlich eine beschleunigte Bewegung aufweisen, fälschlicherweise eine konstante Geschwindigkeit angenommen wird. Hier spielen leistungsfähige Schnittstellen zur Hardware und State-of-the-Art-Prognosemodelle eine zentrale Rolle, um die notwendigen qualitativ hochwertigen Daten zu erhalten.

Materialflussstrategien mit intelligenten Systemen

Komplexere Prozesse, wie die Ein- und Auslagerung verbindende Doppelspiel bei Regalbediengeräten, sind schwerer zu planen als der nur auf eine Aufgabe abzielende Vorgang. Mit Hilfe von optimierten Programmen zur Annäherung an ein definiertes Ziel, sogenannten Solvern, oder von der Künstlichen Intelligenz (KI) gestützten Lösungen steigt die Wahrscheinlichkeit von effizienten Arbeitsabläufen, die einen tatsächlichen Nettogewinn mit sich bringen und nicht nur theoretische Vorteile in der Software selbst aufzeigen. Denn einzig Doppelspiele zu forcieren und sich an der Energieeinsparung zur erfreuen, während dahinter oder davor die Prozesse stocken, hilft niemandem.

Auch der Lagerort ist entscheidend für eine energieeffiziente Intralogistik. Sind die Artikel so gelagert, dass sie schnell und auch energieeffizient ausgelagert werden können? IT-Systeme unterstützen an dieser Stelle die sichere Anwendung komplexer Lagerstrategien, ohne dass dadurch Prozesssicherheit und -geschwindigkeit verloren gehen. Wo zuvor die feste Lagerplatzzuordnung die größte Sicherheit bei gleichzeitig sehr hohem Platzbedarf bot, sind nun die freie Lagerplatzzuordnung oder sogar die artikelgemischte Platzbelegung bessere Lösungen. Optimierung der Warenverteilung wird damit entlang der Parameter Effizienz und Energiesparsamkeit möglich.

Gerade im E-Commerce, in dem die Geschwindigkeit das Maß der Dinge darstellt, werden häufig übergroße Packmittel gewählt. Wieder bietet Künstliche Intelligenz gegenüber Solvern einen Vorteil: Sie passt sich selbst an neue Bedingungen an und lässt sich vielfältiger einsetzen. Einmal trainiert, kann sie Kartons genauso optimieren wie Paletten. So sind die folgenden Herausforderungen, die zuvor auf mehrere Systeme verteilt waren, mittels einem einzigen lösbar:

  • Zuweisung der Aufträge zu einzelnen Packplätzen
  • Aufteilung der bestellten Artikel auf einzelne Pakete und Auswahl geeigneter Paketgrößen
  • Reihenfolge des Packens der Artikel und Positionierung der Artikel innerhalb eines Pakets
  • Bestmögliche Aufteilung der mit Artikel bestückten Pakete und der mit Paketen beladenen Paletten auf die einzelnen Lieferfahrzeuge

Energie intelligent nutzen

„In einem abgeschlossenen System kann der Gesamtbetrag der Energie weder vergrößert noch verkleinert werden. Es können lediglich die verschiedenen Energiearten ineinander umgewandelt werden.“ Dieser Abschnitt ist ein Auszug des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik. Im Zusammenhang mit elektrisch betriebenen Systemen, wie E-Fahrzeugen, fällt häufig der Begriff Rekuperation, ein technisches Verfahren zur Rückgewinnung von Energie. Diese Technik kommt im Schienenverkehr schon seit langer Zeit in Form sogenannter Nutzbremsen zum Einsatz, die Bewegungsenergie wieder in elektrische Energie umwandeln. Auch Abwärme kann in bestimmten Situationen wieder nutzbar gemacht werden.

Energie und Zeit sind bei allen Bewegungen im Lager zwei konkurrierende Zielgrößen, die es in einen wirtschaftlichen Einklang zu bringen gilt. So können beispielsweise Synchronfahrten bei Regalbediengeräten intuitiv wirtschaftlich erscheinen. Sind nun aber etwa Energierückgewinnungstechnologien verbaut, birgt eine unabhängige Bewegung der Achsen mehr Vorteile.

Ausblick

Nachhaltigkeitsaspekte spielen in der Intralogistik eine zentrale Rolle – und ihre Bedeutung wird zunehmen. Die Komplexität dieser Thematik erfordert von Verantwortlichen ein sorgfältiges Abwägen verschiedener Parameter wie den Ressourcenpreisen, bestehenden Reglementierungen und den Lebenszyklen technischer Komponenten. Die Schaffung einer stabilen Datenbasis durch Messungen und Simulationen bildet dabei eine unerlässliche Grundlage für fundierte Entscheidungen. Die Integration von KI-gestützten Lösungen ermöglicht die Entwicklung nachhaltiger Arbeitsabläufe, da sie in komplexen Prozessen, wie dem Doppelspiel bei Regalbediengeräten, effizienter angewendet werden können. Eine höhere Flexibilität in der Lagerplatzzuordnung, gestützt von IT-Systemen, reduziert Wege und spart Zeit und Energie. Die verantwortungsbewusste Nutzung von Energie, im wirtschaftlichen Einklang von Ressourceneffizienz und Zeit, wird einer der grundlegenden Wettbewerbsvorteile der Zukunft sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Fachmagazin „Technische Logistik“ 04/2024 und steht hier als PDF-Download zur Verfügung.

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