Das Ziel aller Auswertungen sollte es sein, Transparenz zu schaffen. Vor allem in Bereichen, in denen der aktuelle Wissensstand als gegeben akzeptiert wird oder in dem die Daten noch nicht so aufbereitet wurden, dass sie sinnvoll interpretiert werden können. Einen Einblick, wie Daten strukturiert werden können, gibt es im ersten Teil.
Um Verbesserungspotenziale aufzuzeigen, reichen bereits einige wenige Auswertungen. Mit Ihnen können deutliche Leistungssteigerungen erreicht oder Rückschlüsse über evtl. Engstellen im Lager verdeutlicht werden. Am Beispiel eines virtuellen Unternehmens zeigen wir mehrere Analyseprozesse auf.
Die Auftragspositionen-Mengen-Analyse
Ein einfacher erster Schritt ist die Auswertung, wie viele Auftragspositionen in jedem Auftrag enthalten sind. In diesem Fall zeigt sich hier, dass im Beispiel-Lager viele Bestellungen (52,4%) mit nur einer Position eingehen.
Bei einer genaueren Betrachtung der Aufträge mit nur einer Position wird ersichtlich, dass sie in 82,9% der Fälle auch nur ein Objekt beinhalten. In einer Positon können auch mehrere Objekte des gleichen Typs enthalten sein, daher ist die Unterscheidung hier relevant.
Setzt man diese beiden Auswertungen nun wieder zusammen, ergibt sich, dass mehr als 43% aller Aufträge nur eine Position mit Menge 1 haben. Daraus kann man schlussfolgern, dass eine gesonderte Bearbeitung dieser Aufträge sinnvoll sein könnte.
Welche Aufschlüsse ein Blick auf die Sortimentsstabilität geben kann
Ein weiterer wertvoller Einstiegspunkt in die Analyse der Prozesse in einem Lager ist die Stabilität des Sortiments. Die Erkenntnis, ob dort viele Artikel dauerhaft verkauft werden oder ob sie starken Schwankungen unterliegen, ist ein erster wichtiger Schritt, um den Kontext dahinter zu identifizieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Ist die Schwankung beispielsweise saisonal oder ereignisgebunden? Gibt es nur eine Sommer- und Wintersaison oder haben alle vier Jahreszeiten Auswirkungen? Sind eventuell externe sowie marketinggetriebe Ereignisse wiederkehrende Auslöser? So kann ein recht neues Ereignis, wie der Singles Day, auch Auswirkungen auf Anbieter haben, die diesen Tag nicht aktiv bewerben, aber zum Tag passende Produkte anbieten und somit passiv von der medial generierten Aufmerksamkeit profitieren.
Anhand der obigen Grafik ist zu erkennen, dass ca. 60% des Sortiments dauerhaft gleich ist und verkauft wird. Der hellblaue Balken auf der rechten Seite rechts ist durch den Zeitpunkt der Analyse zu erklären, da ein halber Monat mit den vorherigen ganzen Monaten verglichen wird. Das daraud resultierende kontrastreiche Diagramm soll in diesem Fall als Anschauungsobjekt dienen, das verdeutlicht, dass auch die Wahl der Zeiträume einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Darstellung der Auswertung haben kann.
Anschließend an diese Auswertung folgen weitere Analysen, kombiniert mit projektspezifischen Wissen, um auf Basis eines möglichst gut aufbereiteten Kontext die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Aber selbst ohne detailiiertes Hintergrundwissen können wir bereits erste Empfehlungen aussprechen:
- Diese 60% des Sortiments könnten so angeordnet werden, dass die Wege für die Kommissionierer*innen verkürzt werden. Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass in Bestellungen mehrere dieser Artikel enthalten sind und ein verkürzter Laufweg somit die Performance steigert. Dabei gilt es aber natürlich wieder, projektabhängige Rahmenbedingungen zu beachten, wie beispielsweise, ob Artikel nur in bestimmten Bereich gelagert werden dürfen, da sie beispielsweise Gefahrstoffe oder Hängeware sind.
- Ein weiterer Ansatz könnte aber auch sein, dass speziell diese Artikel, die dauerhaft gekauft werden, feste Plätze in Zonen bekommen und in mehreren Zonen der gleiche Artikel liegt, was die Laufwege der Kommissionierer*innen reduziert, da diesen nun mehrere Anlaufstellen für den gleichen Artikel zur Verfügung stehen.
Aufschlüsse aus dem Verhältnis von Picks und Gassen in einem Pick-Rundgang
Das Verhältnis von Picks zu angelaufenen Gassen innerhalb eines Rundgangs lässt Rückschlüsse zu, ob eine bestehende Routenplanungs-Lösung dauerhaft effiziente Lösungen liefert.
Ein Extrembeispiel in Sachen Optimierungspotenzial wäre, wenn Rundgänge so gebildet würden, dass jeder Artikel für alle offenen Bestellungen einen eigenen Rundgang erzeugen würden. Die Kommissionierer*innen würden in diesem hypothetischen Szenario in eine Gasse gehen, einen Artikel holen, ihn abliefern und dann von vorne beginnen. Das Verhältnis von Pick zu Gasse pro Rudngang wäre hier eins zu eins und damit hochgradig ineffizient in Sachen Zeit und Personalbelastung. In Fällen eines Expressversands oder einer schnellen Nachlieferung von Fehlteilen einer Bestellung, die vor der Cut-off-Zeit finalisiert werden müssen, können solche Szenarien auftreten und erwünscht sein, um Störungen in anderen kritischen Prozessschritten zu vermeinden.
Ein Gegenbeispiel zu diesem ersten Szenario wäre ein Lager, in dem so viele Kommissionier*innen wie Gänge zur Planung verfügbar sind. Ein Routing-Algorithmus könnte also Rundgänge bilden, in denen alle Picks in einer Gasse liegen. Dadurch steigt das Verhältnis von Picks zu Gassen deutlich, anstelle einer Verteilung von eins zu eins ist es nun x zu 1. Das Lagerpersonal müsste sich nur in jeweils einer Gasse bewegen und wäre damit im Bezug auf das Verhältnis von zurückgelegter Strecke zu ausgeführten Arbeitsschritten sehr effizient.
Üblicherweise wird in den meisten Lägern ein Verhältnis von mehreren Picks pro Gasse angestrebt, um die Effizienz hoch und die vermeidbare Belastung niedrig zu halten.
Die Analyse des Verhältnisses von Picks zu Gassen pro Pickrundgang in diesem Diagramm zeigt eine Verteilung, die auf ein mögliches Verbesserungspotenzial schließen lässt. Obwohl der Großteil der Pickrundgänge ein gutes Verhältnis von über neun Picks pro Gasse aufweist, haben viele Rundgänge nur einen oder zwei bis drei Picks pro angelaufener Gasse. Auf diese ersten beiden Punkte im Diagramm lohnt sich ein genauerer Blick sowie eine anschließende Ursachenrecherche: Anhand weiterer Analysen wäre an dieser Stelle zu überprüfen, ob es Arbeitsprozesse sind, die notwendigerweise ein schlechtes Verhältnis aufweisen, weil es beispielsweise kritische Expressbestellungen sind oder ob an der Rundgangsplanung gearbeitet werden muss.
Vor allem in diesem letzten Diagramm wird ersichtlich, dass die Kombination aus den richtigen Metriken und Analyseobjekten Transparenz schafft und Unregelmäßigkeiten aufdeckt, die weiter untersucht oder direkt behoben werden können.
Voraussetzung dafür ist jedoch in allen Fällen, dass die anfallenden historischen Daten des Lagers in regelmäßigen Abständen und in hoher Qualität aggregiert werden: Kurze Zeithorizonte sind häufig nur eine Momentaufnahme des Ganzen, aus denen sich nur unzureichende oder sogar falsche Rückschlüsse ziehen lassen, da eine vermeintliche Korrelation sich beim Blick auf eine größere Zeitspanne als bloßer Zufall entpuppen kann.
Ein kleiner Ausflug in die praktische Datenanalyse mit Google Trends
Google Trends ist ein frei zugängliches Werkzeug, mit dem sich die Entwicklung von Suchanfragen von 2004 bis heute untersuchen lässt. Daher nutzen Journalisten dieses Werkzeug auch gerne, um ihre Beiträge mit Daten zu unterfüttern. Im Jahr 2016 ging dabei ein Artikel durch mehrere Medien, in dem darüber berichtet wurde, dass kurz nach dem Brexit in Großbritannien die Suchanfrage „What is the EU“ durch die Decke schoß.
- Im Radio-Netzwerk NPR wurde getitelt „After Brexit Vote, Britain Asks Google: ‚What Is The EU?'“
- Auch die Plattform Businessinsider.com berichtete im Beitrag „UK voters are Googling ‚What is the EU?‘ — right after voting to leave the EU“ mit einem angemessen dramatischen Bild.
Doch die Autoren beider Beiträge begingen dabei einen Fehler: In Google Trends werden nur relative Werte in Prozent ausgegeben. Sprich, wenn vor dem Brexit niemand nach „What is the EU“ sucht, ist das Niveau logischerweise bei 0. Wird nach dem Brexit durch die Nutzer im Vereinigten Königreich 100, 1.000 oder 100.000 Mal danach gesucht, steigt es immer wie im dargestellten Schaubild an. Wieviele Briten tatsächlich danach gesucht haben, ist folglich eine unbekannte Größe.
Abhilfe, um mit vorhandenen Mitteln einen besseren Blick auf die Situation zu erhalten, schafft ein Kontrollbegriff. Da es popkulturell bekannt ist, dass sich Briten häufig mit Fußball befassen – nicht umsonst gibt dazu sogar eigenes Liedgut – soll es „Football“ sein. Schon wird aus der Geschichte einer Nation, die nach dem Brexit erstmal über Suchmaschinen herausfinden muss, was dieses komische Konstrukt auf der anderen Seite des Ärmelkanals ist, eine statistische Randnotiz.
Je mehr Kontext zur Unterstützung einer Theorie zur Verfügung steht, desto belastbarer wird sie. Im folgenden Beispiel sind die Theorien „In den neuen Bundesländern fährt niemand nach Hause oder ruft seine Eltern an, weil ein Großteil im Elternhaus wohnt“ und „Da viele Menschen aus den neuen Bundesländern in den alten arbeiten, finden die Anfragen primär in den alten Bundesländern statt“ gleich valide.
Um hier eine belastbare Aussage zu treffen, ist mehr Kontext erforderlich: Auf welchen Geräten finden die Anfragen statt? Bewegen sich die Nutzer*innen im Anschluss an die Anfrage und wohin gehen die Anrufe. So könnte eine Theorie verifiziert, die andere verworfen oder eventuell eine Synthese aus beiden gebildet werden. Wir freuen uns über weitere Analysen und Theorien in unseren sozialen Kanälen!